Dehnen wird häufig als Standardlösung zur Verbesserung der Beweglichkeit angesehen. Neben vielen Dehnmethoden gibt es jedoch auch das sogenannte Längentraining, das sich durch aktive Muskelanspannung und strukturelle Anpassungen der Muskeln auszeichnet. Doch was sind die Unterschiede, und welche Methode ist wann sinnvoll? In diesem Blog werfen wir einen Blick auf die Mechanismen hinter beiden Ansätzen, ihre neuronalen und strukturellen Effekte und die Rolle des Krafttrainings bei der Beweglichkeitssteigerung.
Dehnen – Die klassische Methode erklärt
Beim Dehnen werden Muskeln entweder statisch oder dynamisch in die Länge gezogen:
- Statisches Dehnen: Der Muskel wird in eine bestimmte Position gebracht und für eine Dauer (meist 20–30 Sekunden) gehalten.
- Dynamisches Dehnen: Der Muskel wird durch kontrollierte, federnde Bewegungen gedehnt.
Ziel und Wirkung
Dehnen fokussiert sich vor allem auf neuronale Anpassungen. Das heisst, durch regelmässiges Dehnen wird die Empfindlichkeit des Nervensystems herabgesetzt, wodurch die Muskeln bei Dehnungen weniger Widerstand leisten. Dies erklärt auch, warum kurzfristige Beweglichkeitsverbesserungen nach einer Dehneinheit möglich sind – die Muskeln „lassen nach“. Die strukturelle Anpassung bleibt jedoch begrenzt.
Beispiele für Dehnübungen
- Hüftbeuger-Dehnung: Im Ausfallschritt die Hüfte nach vorne schieben und die Dehnung im Hüftbeuger spüren.
- Oberschenkel-Dehnung: Ein Bein nach hinten ziehen, bis die Ferse das Gesäss berührt.
In Sportarten wie dem Kunstturnen oder der rhythmischen Sportgymnastik wird das statische Dehnen oft mit längeren Spannungsdauern durchgeführt – teilweise mehrere Minuten pro Muskelgruppe, um die notwendige Beweglichkeit für komplexe Bewegungsmuster zu erreichen.
Das Längentraining – Mehr als nur Dehnen
Das Längentraining kombiniert Dehnpositionen mit aktiver Muskelanspannung in der maximalen Muskellänge. Es zielt sowohl auf die neuronale Anpassungen des Dehnens als auch auf strukturelle Anpassungen der Muskulatur ab.
Wie funktioniert Längentraining?
- Isometrische Spannungsphasen: Der Muskel wird in seiner maximalen Dehnposition für mindestens 12 Sekunden unter Spannung gehalten.
- Sarkomerverlängerung: Durch die Belastung in gedehnter Position werden bei entsprechender Wiederholungsermüdung theoretisch zusätzliche Sarkomere seriell hinzugefügt, was den Muskel verlängert.
Zusatzgedanke: Da es sich um eine Form der Muskelhypertrophie handelt – jedoch in die Länge und nicht in die Breite –, könnten ähnliche Spannungsdauern wie beim klassischen Krafttraining (30–180 Sekunden pro Muskelgruppe) optimal sein, um die höchsten Anpassungen zu stimulieren.
Allerdings ist dieses Konzept in der Wissenschaft nicht unumstritten. Während es in der Entwicklungsphase als gesichert gilt (da sich Muskeln an das Knochenwachstum anpassen), ist es bei Erwachsenen umstritten, ob diese Anpassungen tatsächlich langfristig erreicht werden können.
Beispiele für Längentraining
- Wadenstrecker: Stelle dich auf eine Schräge, lasse die Fersen sinken und halte die Position, während du aktiv Druck auf den Boden ausübst, wie wenn du auf die Zehenspitzen hockommen möchstest, ohne dies aber zu tun.
- Hüftbeuger: Knieend die Hüfte langsam nach vorne schieben und dabei die Spannung für mindestens 12 Sekunden halten, wie wenn du das hintere Bein nach vorne bewegen möchtest.
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Was kann Krafttraining zur Beweglichkeitssteigerung beitragen?
Krafttraining, das über den gesamten Bewegungsumfang (Range of Motion, ROM) ausgeführt wird, kann ebenfalls zur Verlängerung der Muskeln beitragen.
Wichtige Faktoren: ROM und Spannungsdauer
- ROM und Spannung: Wenn bei der tiefen Kniebeuge die Muskulatur am Umkehrpunkt mehrere Sekunden unter Spannung steht, wird die Beinmuskulatur nicht nur gestärkt, sondern bestimmte Muskeln werden dabei gezwungen, sich über ihre volle Länge zu dehnen und in diesem Zustand Kraft zu produzieren. Dies kann potenziell das Längenwachstum der betroffenen Muskeln fördern (serielle Hypertrophie).
- Spannungsdauer: Studien und Trainingsansätze zeigen, dass die Mindestbelastungsdauer von 12 Sekunden entweder am Stück, wie beim Längentraining, oder aufgeteilt in kleinere Phasen von jeweils 2–3 Sekunden erreicht werden kann. Während der gedehnten Phase des Muskels kann bei jeder Wiederholung ein Halt von 2–3 Sekunden eingelegt werden, wodurch sich die erforderliche Spannungsdauer summiert.
Wichtige Geräteanbieter für Längentraining
Einige Gerätehersteller, wie Five-Konzept und Fle.xx, bieten speziell entwickelte Trainingsgeräte, die das Längentraining gezielt unterstützen. Beide verfolgen ähnliche Ansätze, indem sie Muskeln in ihre maximale Länge bringen und gleichzeitig eine kontrollierte Spannung ermöglichen. Besonders bei Beschwerden wie Rückenproblemen oder verkürzter Hüftmuskulatur können diese Geräte durch präzise Einstellungen individuell auf den Nutzer abgestimmt werden und helfen dabei, strukturelle Anpassungen der Muskulatur zu fördern.
♦ Tipp: Auch ohne Geräte lässt sich ein effektives Längentraining durchführen. Mit den richtigen Techniken können viele Übungen auf der Matte oder mit einfachen Hilfsmitteln durchgeführt werden, indem der gedehnte Muskel über die angegebene Dauer aktiv angespannt wird.
Wann eignen sich die Methoden?
Dehnen:
- Vor oder nach dem Sport, um kurzfristig die Beweglichkeit zu verbessern.
- Zur Entspannung nach intensiven Belastungen.
- Als Hauptbestandteil einer Einheit in Sportarten wie dem Kunstturnen oder der rhythmischen Gymnastik, wo pro Muskelgruppe längere Dehnphasen eingesetzt werden.
Längentraining:
- Bei bestehenden Muskelverkürzungen oder Beschwerden, wie z. B. Rückenschmerzen durch verkürzte Hüftmuskeln.
- Als separate oder integrierte Trainingseinheit, um gezielt Beweglichkeit und muskuläre Stabilität zu trainieren.
- In Kombination mit Krafttraining, um Beweglichkeit und Kraft über einen grossen Bewegungsumfang zu fördern.
Das besondere Gefühl nach einem Längentraining
Ein besonderes Merkmal des Längentrainings ist das angenehm entspannte, leicht ermüdete Gefühl in den Muskeln nach dem Training – ähnlich wie nach einem Krafttraining. Dieses Gefühl weist darauf hin, dass die Muskeln nicht nur gedehnt, sondern auch aktiv gearbeitet haben.
Jetzt bist du dran: Probiere die verschiedenen Methoden aus und finde heraus, welche Kombination dir am besten hilft, deine Ziele zu erreichen. Dein Körper wird es dir danken! 😊